Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz in der Kirche:
Eine Analyse aus evangelischer und katholischer Perspektive

Einleitung

Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) beeinflusst zahlreiche Lebensbereiche, einschließlich der Kirche. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche in Deutschland stehen vor der Herausforderung, die Potenziale und Risiken von KI zu erkennen und zu bewerten. Dieser Artikel analysiert die Chancen und Gefahren von KI im kirchlichen Kontext, beleuchtet ethische, theologische und soziale Aspekte und gibt Handlungsempfehlungen für kirchliche Entscheidungsträger.​
Chancen von KI in der Kirche

Seelsorge und Gemeindearbeit

KI kann in der Seelsorge unterstützend wirken, beispielsweise durch Chatbots, die rund um die Uhr für Gespräche zur Verfügung stehen. Solche Systeme können erste Anlaufstellen für Ratsuchende sein und entlasten Seelsorgerinnen und Seelsorger. Ein Beispiel ist der Einsatz von KI-gestützten Chatbots, die in der evangelischen Kirche erprobt werden.

Predigtvorbereitung und Bildungsarbeit

Durch die Analyse großer Textmengen kann KI Predigerinnen und Predigern bei der Vorbereitung von Predigten unterstützen. Sie kann relevante Bibelstellen, Kommentare und aktuelle Bezüge liefern, um die Predigt zu bereichern. Zudem können KI-Systeme in der Bildungsarbeit eingesetzt werden, um personalisierte Lernangebote zu erstellen.

Verwaltung und Organisation

In der Verwaltung können KI-Systeme Routineaufgaben übernehmen, Daten analysieren und so effizientere Abläufe ermöglichen. Dies kann zu einer Entlastung des Personals führen und Ressourcen für die inhaltliche Arbeit freisetzen. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg betont, dass durch den verantwortungsbewussten Einsatz von KI Prozesse effizienter gestaltet und neue Wege in der Verkündigung, Bildung und Diakonie erschlossen werden können.
Risiken und ethische Herausforderungen

Verlust der menschlichen Interaktion

Der Einsatz von KI in der Seelsorge könnte dazu führen, dass persönliche Begegnungen seltener werden. Die Gefahr besteht, dass die menschliche Empathie und das persönliche Gespräch an Bedeutung verlieren. Die Theologin Anna Puzio warnt davor, dass nicht nur die KI selbst riskant sei, sondern auch die Strukturen dahinter, die die menschliche Dimension vernachlässigen könnten.

Ethische und theologische Fragen

Der Einsatz von KI wirft grundlegende ethische Fragen auf, beispielsweise hinsichtlich der Entscheidungsfindung von Maschinen in moralischen Dilemmata. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit KI-Systeme in der Lage sind, theologische Konzepte zu verstehen und zu vermitteln. Die Evangelische Kirche in Deutschland betont die Notwendigkeit, KI verantwortungsbewusst und im Einklang mit christlichen Werten zu nutzen, wobei der Mensch stets im Mittelpunkt stehen sollte.

Datenschutz und Sicherheit

Die Verarbeitung sensibler Daten durch KI-Systeme erfordert besondere Sorgfalt. Es besteht das Risiko des Datenmissbrauchs, was das Vertrauen der Gemeindemitglieder beeinträchtigen könnte. Die Deutsche Bischofskonferenz mahnt zum verantwortungsvollen Umgang mit KI und verweist auf die EU-Verordnung „AI Act“, die seit dem 1. August 2024 in Kraft ist und verschiedene KI-Anwendungen unter bestimmte Anforderungen stellt.

Aktuelle Entwicklungen in Deutschland

In Deutschland gibt es bereits erste Ansätze, KI im kirchlichen Kontext zu integrieren. Beispielsweise experimentiert die evangelische Kirche mit KI-gestützten Gottesdiensten, bei denen KI-Systeme Liturgie und Predigt gestalten. Ein prominentes Beispiel ist der KI-Gottesdienst auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg, bei dem eine KI die Predigt hielt. Zudem betont die Evangelische Landeskirche in Württemberg die Bedeutung einer zukunftsorientierten KI-Strategie, die im Einklang mit christlichen Werten steht.

Handlungsempfehlungen für kirchliche Entscheidungsträger

Bildung und Sensibilisierung

Es ist essenziell, Mitarbeitende und Gemeindemitglieder über die Möglichkeiten und Grenzen von KI aufzuklären. Schulungen und Informationsveranstaltungen können helfen, Berührungsängste abzubauen und ein fundiertes Verständnis zu entwickeln.

Ethische Leitlinien entwickeln

Die Kirche sollte eigene ethische Leitlinien für den Einsatz von KI entwickeln, die sich an christlichen Werten orientieren. Diese Leitlinien können als Orientierung für den verantwortungsvollen Umgang mit KI dienen. Der Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl plädiert für eine intensive Auseinandersetzung mit KI im kirchlichen Kontext und betont die Notwendigkeit klarer Definitionen im Umgang mit KI.

Kooperation mit Fachleuten

Durch die Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Technologie und Ethik kann die Kirche sicherstellen, dass der Einsatz von KI sowohl technisch fundiert als auch ethisch vertretbar ist.

Zukunftsperspektiven

Der technologische Fortschritt wird die Möglichkeiten von KI weiter vorantreiben. Für die Kirche bedeutet dies, proaktiv zu handeln und sich kontinuierlich zu entwickeln.