Johannes 18,28-40: „Was ist Wahrheit?“
Einleitung
Liebe Gemeinde, heute betrachten wir gemeinsam einen bewegenden Abschnitt aus dem Johannesevangelium (Johannes 18,28-40). Jesus steht vor Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter. In den frühen Morgenstunden eines schicksalhaften Tages wird Jesus angeklagt und verhört. Diejenigen, die ihn anklagen, betreten selbst nicht das Gerichtshaus, um rituell rein zu bleiben und das Passafest feiern zu können. Welch bittere Ironie! Sie sorgen sich um religiöse Vorschriften, während sie gleichzeitig planen, einen Unschuldigen hinzurichten. In diesem Moment treffen zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander: die weltliche Macht, repräsentiert durch Pilatus, und die göttliche Wahrheit, verkörpert durch Jesus Christus. Pilatus stellt Jesus eine Frage, die bis heute nachhallt: „Was ist Wahrheit?“ Heute wollen wir uns intensiv mit dieser Frage beschäftigen und herausfinden, was sie für unser Leben bedeutet.
Die theologische Dimension: Jesu Königreich und die Wahrheit
Jesus gibt Pilatus eine bemerkenswerte Antwort: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Damit verdeutlicht Jesus, dass sein Reich auf völlig anderen Prinzipien beruht als die Machtstrukturen dieser Welt. Während irdische Reiche mit Gewalt und politischer Macht regieren, basiert Jesu Herrschaft auf der Wahrheit, Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Wahrheit ist hier keine abstrakte Idee, sondern Jesus selbst – er ist die personifizierte Wahrheit. Jesu Auftrag besteht darin, diese Wahrheit in die Welt zu tragen und Menschen zu befreien, die sich in Illusionen und Lügen verfangen haben. Gerade heute, in einer Welt voller Fake News und Halbwahrheiten, gewinnt diese Botschaft an großer Bedeutung. Wir sind aufgefordert, die Wahrheit Gottes in unserem Leben sichtbar werden zu lassen, auch wenn dies oft Mut und Standfestigkeit erfordert.
Historischer Hintergrund: Pilatus und die politische Lage in Judäa
Pilatus stand vor schwierigen Entscheidungen. Er musste einerseits die öffentliche Ordnung und politische Stabilität sichern, andererseits sah er, dass Jesus unschuldig war. Historisch betrachtet wissen wir, dass Pilatus ein strenger Herrscher war, der vor Gewalt nicht zurückschreckte. Dennoch erscheint er im Evangelium zögerlich. Er erkennt keine Schuld bei Jesus, gibt aber dennoch nach, als das Volk lautstark die Freilassung von Barabbas fordert. Diese Entscheidung zeigt uns, wie gefährlich es ist, wenn politische Interessen und Machterhaltung wichtiger werden als Wahrheit und Gerechtigkeit. Jesu Verurteilung macht deutlich, dass wahre Stärke darin besteht, für die Wahrheit einzustehen, selbst wenn dies Opfer verlangt.
Wahrheit unter Druck – damals und heute
Auch heute stehen wir immer wieder vor der Herausforderung, zwischen Wahrheit und Bequemlichkeit zu wählen. Unsere Gesellschaft ist oft geprägt von Manipulation und Fehlinformationen. Wir erleben täglich, wie Wahrheiten zurechtgebogen oder verdreht werden, um bestimmte Interessen durchzusetzen. In dieser Situation ist es für uns als Christen besonders wichtig, klare Position zu beziehen. Wir sind aufgefordert, kritisch zu bleiben, Vorurteile zu hinterfragen und uns mutig gegen Unwahrheiten und Ungerechtigkeiten zu stellen. Ob es sich um Vorurteile gegenüber Migranten handelt oder politische Debatten, die von Populismus geprägt sind – die Wahrheit Christi fordert uns heraus, nicht passiv zu bleiben, sondern aktiv Stellung zu beziehen.
Erlebte Wahrheit: Beispiele von Mut und Nächstenliebe
Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie gelebte Wahrheit konkret aussehen kann. Denken wir etwa an Menschen, die Flüchtlingen helfen, indem sie Sprachkurse anbieten, Patenschaften übernehmen oder sich für bessere Integrationsmöglichkeiten einsetzen. Solche Taten zeugen davon, dass Liebe und Wahrheit stärker sind als Angst und Vorurteile. Oder betrachten wir Beispiele von Zivilcourage, in denen einzelne Personen sich gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung gestellt haben, obwohl sie dadurch selbst Risiken eingingen. All diese Beispiele verdeutlichen, wie Jesu Königreich praktisch Gestalt gewinnt, wenn Christen ihre Verantwortung ernst nehmen und in der Wahrheit leben.
Schlussgedanken: Hoffnung durch die Wahrheit Christi
Am Ende dieser Betrachtung stehen wir erneut vor Pilatus’ Frage: „Was ist Wahrheit?“ Wir dürfen erkennen, dass Wahrheit in Jesus Christus sichtbar und erfahrbar geworden ist. Er, der unschuldig verurteilt wurde, hat durch seine Auferstehung gezeigt, dass Gottes Wahrheit stärker ist als Tod und Ungerechtigkeit. Diese Wahrheit schenkt uns Hoffnung. Als Christen dürfen wir vertrauen, dass Wahrheit und Liebe letztlich siegen werden, auch wenn wir in unserem Alltag manchmal anderes erleben. Lasst uns gemeinsam dieser Wahrheit folgen, im festen Glauben an Christus, getragen von Liebe zu unseren Mitmenschen und erfüllt von der Hoffnung, dass unser Einsatz für die Wahrheit nicht vergeblich ist. Amen.